Anders beginnt im Kopf

Care-Arbeit - ob bezahlt oder unbezahlt - ist Frauensache. Das hat bereits der letzte Beitrag in unserem Blog thematisiert. Frauen kümmern sich - um die Kinder, um die vergesslich gewordene Mutter, um den bettlägrigen Schwiegervater, um Haushalt, Einkauf und nicht zu vergessen: gute Stimmung! Zumindest tun sie das zu einem großen Teil. In Vollzeit oder neben der sogenannten Erwerbsarbeit in Teilzeit. Allerdings ohne Lohn und häufig auch ohne Dank und Anerkennung. Es ist einfach selbstverständlich.

Eine zentrale Frage der Themenwoche Care widmet sich deshalb der Frage, wie das zu ändern wäre. Meine These dazu lautet: die Veränderung muss im Kopf beginnen. Und zwar so, dass nicht nur gedacht wird, was Frau nicht mehr einfach so uneigennützig und unbezahlt leisten will. Dazu gehört auch der Gedanke: was macht Frau denn stattdessen?

Der Punkt ist: dass Sorge und Fürsorge weibliche Aufgaben sind, das haben wir früh gelernt. Während die Jungs Fußball spielen gingen (oder gehen), helfen die Mädchen beim Kochen, Putzen und selbstverständlich dabei, auf die jüngeren Geschwister aufzupassen. Übrigens hat sich dies im Bereich der Jugendarbeit in der Coronazeit deutlich reproduziert. An den wenigen Angeboten, die möglich waren, haben vielmehr Jungen teilgenommen, weil sich die Mädchen zu Hause um die jüngeren Geschwister kümmern mussten.

Dass diese Aufgaben die der Frau sind, haben wir aber nicht nur geübt, sondern es ist uns auch über Generationen hinweg als weibliche Tugend angetragen worden. Sämtliche Religionen unterstützen dieses Bild und zeichnen die Frau dann als ihrer Rolle entsprechend und gottgefällig, wenn sie sich um Kinder, Küche, Kirche kümmern und dem Gemahl den Rücken freihalten, dass er seine gesamte Zeit und Konzentration dem Beruf, der Politik und dem Beten widmen kann. Und während die männlichen Tätigkeiten in der Öffentlichkeit stattfinden und nach Ruhm streben, geschieht das Werk der Frau im Verborgenen. Gemäß dem Wort: tue Gutes und rede nicht darüber. 

Doch auch heute, wo solche religiöse Tradierung und Sozialisierung bei einem großen Teil der Gesellschaft nicht mehr stattfindet, wird die Fürsorge weiterhin als weibliche Tugend gelehrt. Ob im Geburtsvorbereitungskurs bei der Hebamme oder im Erziehungsratgeber: nirgendwo fehlt der Hinweis, wie wichtig die Mutter für das Kind, für seine Bindungsfähigkeit und letztlich für die gesunde und gesellschaftlich erwünschte Entwicklung ist. Ja, Väter können das schon auch, heißt es da inzwischen auch, aber die Mutter!

Es geht nicht darum, das schlecht zu reden. Bindung, Nähe, Fürsorge sind wichtig - kein Mensch kann ohne sie leben. Aber können das wirklich nur die Frauen richtig gut?

Die Folge aus den genannten Aspekten ist, dass Sorge und Fürsorge als weibliche Aufgaben und Tugenden das Selbstbild der Frau und vor allem die Vorstellung von der "guten Frau" - ob als Partnerin, als Mutter oder Tochter - prägen. Wer Vollzeit arbeiten geht und die Kinder zu einem großen Teil in Fremdbetreuung gibt, gilt noch immer als Rabenmutter - vor allem, wenn dann nicht alles glatt läuft, in der Erziehung. Während es für Männer selbstverständlich scheint, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, plagen sich Frauen mit einem ständigen schlechten Gewissen. Sich davon zu verabschieden zu können, wäre also ein wichtiger Schritt, um auch als berufstätige Mutter eine gute Frau sein zu können, ohne rund um die Uhr zu arbeiten.

Es gibt allerdings auch Frauen, die ihren Sinn und ihre Selbstbestätigung ganz aus der Sorge und Fürsorge für die anderen gewinnen. Die darin aufgehen und glücklich sind. Daran ist nichts zu bemängeln. Es ist schön zu sehen, dass das mitunter funktionieren kann. Schwierig wird es jedoch dann, wenn Frau neben den häuslichen, erzieherischen und pflegerischen Aufgaben einen bezahlten Job und eigenes Freizeitprogramm haben möchte und vom Partner erwartet, dass dieser von ihren Pflichten übernimmt. Zu oft ist zu beobachten, dass der es dann leider nicht recht machen kann. Da sitzt die Windel schief oder die falsche Popocreme wurde benutzt, dann hat die Wäsche zu viel Weichspüler abbekommen und die Gläser finden sich nach dem Ausräumen der Spülmaschine plötzlich im Tassenschrank. Wie oft wird mein Partner diese Aufgaben wohl übernehmen, wenn ich ihm jedes Mal nur sage, was er alles falsch gemacht hat? Care-Arbeit zu teilen heißt deswegen auch, bereit sein, diese zu teilen, das Zepter aus der Hand geben und akzeptieren, dass dann vielleicht nicht alles genau so ist, wie ich mir das vorgestellt habe.

Um dahin zu kommen, brauchen wir neue Bilder. Es wird heute häufig davon gesprochen, dass Männer nicht mehr wissen, was Mannsein heißt und wie das geht. Ich denke aber auch, dass Frauen das über das Frausein nicht mehr wissen - wenn wir das Bild von der Care-Arbeit als Frauenaufgabe aufweichen. Darüber also sollten wir nachdenken: wann ist eine Frau eine (gute) Frau, ohne den Großteil der Care-Arbeit zu übernehmen?

 

20. September 2021, Barbara