We care! Care-Arbeit fairteilen - Themenwoche 17.-24. September 2021

Care Themenwoche
Bildrechte (c) Daniela Dietrich afg

"Was arbeitest Du eigentlich?" ist eine Frage, die oftmals anders gemeint ist. Es ist in der Regel eher die Frage danach, welchem Beruf man nachgeht und womit man sein Geld verdient. Die alltägliche Sorgearbeit, die Menschen leisten, ist damit meistens weniger im Blick. Dabei ist die Fürsorge für Kinder, die Pflege von Angehörigen, die Haushaltsführung, das ehrenamtliche Engagement oder die nachbarschaftliche Hilfe elementar für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ohne die lebensnotwendigen Tätigkeiten der Sorgearbeit wäre gesellschaftliches Leben und wirtschaftliches Wachstum nicht möglich. Care-Arbeit – bezahlt oder unbezahlt, sichtbar oder unsichtbar – ist unverzichtbar, wird aber viel zu oft als selbstverständlich hingenommen.

Der Equal Care Day ist nicht nur ein Aktionstag, sondern in der Zwischenzeit zu einer wichtigen gesellschaftlichen Bewegung angewachsen, deren Ziel es ist, auf die mangelnde Wertschätzung und die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit aufmerksam zu machen sowie auf verschiedenen Ebenen von Politik bis Wirtschaft ein Neudenken der unterschiedlichen Bereiche von Care-Arbeit anzuregen.

Mit Beginn der Corona-Pandemie hat sich schnell gezeigt, dass es ohne Care-Arbeit nicht geht. Viele Menschen haben gespürt, dass sie von Care-Berufsgruppen abhängig sind. Es wurde applaudiert, von Systemrelevanz gesprochen, von notwendigen Aufwertungen und besseren Bedingungen. Yes, we care! Das war ohne Zweifel ein Ausdruck von Wertschätzung. Doch was ist passiert? Ein Jahr später hat sich geändert, dass die Care-Berufsgruppen mehr in den Fokus der Politik gerückt sind. Die unbezahlte Sorgearbeit ist allerdings weitgehend unberücksichtigt geblieben und hat die Situation für Frauen und Familien sogar zum Teil nochmals verschlechtert.

Frauen sind dabei gleich mehrfach stärker betroffen als Männer. Sie arbeiten nicht nur häufiger in Care-Berufen (allein bei den Pflegeberufen liegt der Frauenanteil bei 85%), sondern auch öfter in durch die Corona-Krise besonders stark betroffenen anderen Berufsbereichen, wie z.B. im Einzelhandel (ca. 81% Frauenanteil). Der Spagat, den Frauen bereits vor Corona zwischen Beruf, Betreuung von Kindern, pflegebedürftiger Angehöriger und Haushalt zu bewältigen hatten, hat sich nochmals verschärft. Nimmt man exemplarisch einen typischen "Frauenberuf", wie Altenpflegerin, so wurde den Frauen mit Überstunden und immensen Belastungen noch mehr als üblich abgefordert. Zuhause wartete die zweite Schicht der familiären Sorgearbeit, die nicht als Arbeit, sondern als individuell zu lösender Herausforderung galt.

Dabei kommt der unbezahlten Sorgearbeit eine hohe ökonomische Bedeutung zu. Schätzungen gehen davon aus, dass Haushalte ein Drittel mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als für bezahlte Erwerbsarbeit aufbringen. Umgerechnet liegt die Bruttowertschätzung der Haus- und Familienarbeit laut Statistischem Bundesamt sogar über der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes.

Möchten Paare und Familien eine egalitäre Arbeitsteilung leben, ist dies mit einem erhöhten Aufwand verbunden. Es wird mehr Zeit benötigt, die für andere Dinge wie Erwerbsarbeit oder Selbstsorge nicht zur Verfügung steht. Zu unbezahlter Sorgearbeit zählen auch eine Vielzahl von Tätigkeiten, die unter dem Begriff Mental Load zusammengefasst werden. Es sind To-Do-Listen, die abgearbeitet und organisiert werden, wie Termine, Unterlagen, Besorgungen. Mental Load umfasst das gesamte Management unbezahlter Sorgearbeit für die gesamte Familie.

Aktuell wenden Frauen im Schnitt ca. 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit pro Tag auf als Männer – in Paarhaushalten mit Kindern sind es sogar 83 Prozent. Ein differenzierter Blick zeigt zudem, dass Männer i.d.R. für häusliche Arbeiten zuständig sind, die sich leichter mit Erwerbsarbeit vereinbaren lassen, wie etwa Gartenarbeit oder Reparaturen, d.h. Aufgaben, die sich zeitlich flexibel verschieben lassen. Frauen dagegen übernehmen die täglich anfallenden Aufgaben, wie kochen, putzen, waschen und die Kinderbetreuung – Aufgaben, die sich nicht verschieben lassen und wenig flexibel sind. Erkrankt ein Kind oder ein Arrangement bricht zusammen, bleibt das Organisatorische wieder an der Frau hängen, weil sie flexibler ist.

Sozialwissenschaftliche Forschungen der letzten Jahre konstatieren allerdings ein zunehmendes Brüchigwerden der traditionellen Grenzen der Berufs- und Erwerbswelt und der privaten Familienwelt. Die selbstverständliche Berufstätigkeit von Frauen und die zunehmende Bedeutung von Familien- und Beziehungsleben für Männer befördern die Auflösungstendenzen. Es ist heute offener als je zuvor, wer welche unbezahlte Sorgearbeit übernimmt.

Eine egalitäre Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit entsteht nicht von jetzt auf gleich. Sie entwickelt sich Schritt für Schritt mit allen gemeinsam, Frauen und Männern, Paaren, Eltern und Pflegenden. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass es für Veränderungen weiterer Maßnahmen bedarf. Allein der Blick auf Sorgearbeit reicht nicht aus, denn dies ändert kaum etwas an der Zuschreibung der unbezahlten Sorgearbeit an die Sorgeperson. Innerhalb von Familien geht es auch darum, das Thema Verteilung besprechbar zu machen. Voraussetzung dafür ist, die unbezahlte Sorgearbeit sichtbar zu machen. Kostenlose Tools, Materialien und Checklisten können eine solche Kommunikation unterstützen. Hier kann auch Kirche ihren Beitrag leisten. Für die Sensibilisierung bietet es sich an, Menschen an Lebensknotenpunkten anzusprechen, wie etwa bei der Geburt eines Kindes, denn dort werden Weichen für die Zukunft gestellt. 

Derzeit formieren sich zahlreiche Initiativen und Netzwerke, sie sich der sozialpolitischen, ökonomischen wie auch qualitätsbezogenen Frage von Care annehmen. Die Initiative Equal Care Day ist ein Versuch, all diese Initiativen zu bündeln. Weitere Informationen dazu finden Sie auch unter forum frauen im Amt für Gemeindedienst der ELKB (www.afg-elkb.de).

Und weil nach dem Equal Care Day vor dem Equal Care Day und vor der Bundestagswahl ist, rücken wir gemeinsam das Thema Care im September mit einer ganzen Themenwoche in den Fokus. Dabei kommen unterschiedliche Perspektiven zum Ausdruck, sei es bezahlt oder unbezahlt, in den Care-Berufen, aber auch im Ehrenamt. Alle Veranstaltungen zur Themenwoche CARE vom 17.-24. September 2021 sind kostenlos und werden per Zoom angeboten. Anmeldung ist zu jeder Veranstaltung einzeln möglich. Informationen finden Sie unter Amt für Gemeindedienst afg: >>> Themenwoche We care! Care-Arbeit im Fokus

Programmflyer: