"Ein Gefühl was Recht und Unrecht ist." – Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl (1921-1943)

Hochverrat, Wehrkraftzersetzung und Feinbegünstigung, so lautete das Urteil und es bedeutete den Tod. Sophie Scholl, eine junge Frau, war erst 21 Jahre alt, als sie von den Nationalsozialisten wegen ihres gewaltlosen Widerstands hingerichtet wurde. In dieser Woche am 9. Mai wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Nach einem kurzen Volksgerichtsprozess im Münchner Justizpalast, in dem die Angeklagten kaum zu Wort kamen, werden Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst am 22. Februar 1943 zurück nach Stadelheim gebracht. Um 17 Uhr wird Sophie Scholl über den Gefängnishof zur Hinrichtung geführt. Sie war ruhig und gefasst, ist im Protokoll vermerkt. Dann verrichtete die Guillotine ihr Werk.

Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl ehrt Bayern die NS-Widerstandskämpferin mit einer 20 Euro Silbergedenkmünze. Entworfen hat die Gedenkmünze der sächsische Künstler Olaf Stoy. Die Bildseite zeigt Sophie Scholl nach einer bekannten Fotografie: Ihr Kopf ist gesenkt, die Augen sind zu Boden gerichtet, daneben die Widmung sowie ihre Lebensdaten. Auf dem Rand ist ein bekanntes Zitat von Scholl in verkürzter Form eingeprägt: "Ein Gefühl was Recht und Unrecht ist".

Die Gruppe, zu der Sophie Scholl zählte und die später die Weiße Rose genannt wurde, hatte 1942/43 mit Flugblättern die Deutschen über die Verbrechen des NS-Terrorstaates und die Sinnlosigkeit des Krieges informiert. Sie forderten "einen gerechten Staat, der die Freiheit des Einzelnen als auch das Wohl der Gesamtheit sichert" und appellierten an die Bevölkerung, Widerstand zu leisten. In der öffentlichen Wahrnehmung steht Sophie Scholl heute für die Weiße Rose und somit für die weiteren sechs von der NS-Justiz zum Tode verurteilten und hingerichteten Personen der Gruppe.

Sophie Scholls Mut, ihre Klarsicht und ihr konsequentes Handeln in höchster Lebensgefahr beeindrucken. Ein "ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl" scheint ein wesentlicher Charakterzug Sophie Scholls gewesen zu sein, gepaart mit einer "feinen Eigenwilligkeit", so beschreibt sie auch die vier Jahre ältere Schwester Inge, "als lebten sie wie ein kleiner Kern in ihr, der wächst und von innen her prägt". Bis heute faszinieren die junge Frau und ihr absolutes Eintreten für ihre Überzeugungen. Ihren Worten, Briefen, Zuschreibungen liegen Werte zugrunde, die zeitlos sind. 1939 schrieb sie: "Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst, nur werden sie zu wenig gesucht. Vielleicht auch, weil es die härtesten Maßstäbe sind."

Erinnerungskultur hilft, die Trennungslinie zwischen Recht und Unrecht deutlicher zu sehen, wofür es sich einzutreten lohnt und wogegen man unbedingt Widerstand leisten muss. Am Ende ihres Lebens sagte Sophie: "Ich würde es wieder genauso machen."

Erinnerungskultur hilft auch, in Zeiten, in denen Personen, wie Sophie Scholl gerne auch mal in absurden Analogien für Querdenkerei instrumentalisiert werden, nicht zu vergessen, was Jana aus Kassel von Sophie Scholl unterscheidet…

03.05.2021, Andrea

Hinweis: Die Vereinnahmung Sophie Scholls durch verschiedene Gruppierungen ist auch Thema eines Gesprächs zwischen Martin Becher, Geschäftsführer des Bayerischen Bündnisses für Toleranz und Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende und ehrenamtliche Geschäftsführerin der Weiße Rose Stiftung e.V. Das Gespräch können Sie hier lesen:

Eine Aufzeichnung des Gesprächs können Sie hier ansehen "Da hilft nur Aufklärung!"

 

Info:

Die Weiße Rose Stiftung entwickelte zusammen mit Expert*innen eine neue biografische Wanderausstellung "Sophie Scholl und die Weiße Rose". Auf 14 Bannern beschreibt die Ausstellung in eindringlicher und doch klarer Erzählweise, mit aussagekräftigen Zitaten aus Briefen und Tagebucheinträgen von Sophie Scholl sowie anhand von Dokumenten eine junge Frau, die jenseits des propagierten Frauenbildes eine eigene Persönlichkeit entwickelte und zur entschiedenen Widerständlerin wurde. Die Wanderausstellung steht für den Verleih zur Verfügung. Informationen: Weiße Rose Stiftung e. V., München, Dr. Edith Koller, zuständig für den Ausstellungsverleih, www.weisse-rose-stiftung.de