Yes, we care!? Ein Beitrag zum Equal Care Day

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"Wir müssen uns mehr um das Kümmern kümmern!" – mit diesem Plädoyer haben wir als evangelisches Bündnis im letzten Jahr eine gemeinsame Erklärung überschrieben, um auf den Equal Care Day hinzuweisen. Dann kam Corona und wie selten zuvor wurde spürbar, wie sehr wir alle von Sorgearbeit abhängig sind. Am Montag, den 1. März 2021 ist Equal Care Day. Ein guter Anlass, um das Thema Care in den Blick zu nehmen.

Wer sorgt und kümmert sich? Wer springt ein, wenn andere Unterstützung brauchen? Wer kocht, putzt, räumt auf und hat den Überblick, wenn es um Kinder geht oder um Menschen, die Pflege, Hilfe oder Betreuung brauchen? All das ist Care-Arbeit – bezahlt oder unbezahlt, sichtbar oder unsichtbar, auf jeden Fall unverzichtbar, aber viel zu oft als selbstverständlich hingenommen.

Viel wurde applaudiert im letzten Jahr. Das war ohne Zweifel ein Ausdruck von Wertschätzung. Viel wurde auch von Systemrelevanz gesprochen, notwendigen Aufwertungen, besseren Bedingungen, Entlastungen und auch Sonderzahlungen. Yes, we care! Wenn wir dieses Applaudieren und Diskutieren jedoch nicht tatsächlich in eine bessere Verteilung der Ressourcen umsetzen, dann läuft etwas schief und es bleibt ein Fragliches: Yes, do we really care?  

Die Forderungen und Einsichten nach einer Aufwertung von Sorgearbeit dürfen sich nicht in einer wohlwollenden Benennung ihrer systemrelevanten Bedeutung erschöpfen. Es gibt gute Beispiele aus anderen Ländern, die auch hierzulande umgesetzt werden könnten, wie etwa die unbezahlte Sorgearbeit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, dem Bruttoinlandsprodukt, auszuweisen, so wie es etwa die Schweiz praktiziert. Und für ein Gesamtumdenken und eine Neuverteilung gibt es eine ganze Reihe guter Ideen, die die Initiative zum Equal Care Day auf einer zentralen Plattform gebündelt präsentiert.

Der Equal Care Day ist eine wichtige gesellschaftliche Bewegung. Gerade seit der Pandemie hat sich beeindruckend schnell gezeigt, dass sich Produktionen stilllegen lassen, aber ohne, dass Menschen sich umeinander kümmern, funktioniert der Alltag nicht. Die Debatte rund um das Thema Care und den Equal Care Day ist vor allem eine Gerechtigkeitsdebatte, in der geklärt werden muss, welche Arbeit welchen Wert für unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft hat. Wie auch immer man das Thema Care angeht, ob aus soziologischer, ökonomischer, ethischer oder theologischer Sicht: Eines ist sicher: Unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft sind ohne Care nicht möglich.

Aus dieser Überzeugung heraus, lässt sich auch aus Frauensicht gut begründet behaupten: Care ist kein Frauenthema! Dass die Zahlen eine andere Sprache sprechen und deutlich zeigen, dass die Hauptlast im Bereich der Sorgearbeit v.a. von Frauen getragen wird, sollte nicht dazu führen, das Thema Care und die vielen Herausforderungen, die damit verbunden sind, im Zuständigkeitsbereich der Frauenreferate, Frauenverbände oder Frauengleichstellungstellen verortet zu sehen. Care ist Mehrwert und geht uns alle gemeinsam an, wenn wir für eine nachhaltige Organisation unserer Gesellschaft und unseres Zusammenlebens eintreten wollen.

Zu guter Letzt sei daher auch ein kritischer Gedanke erlaubt: Rund um das Thema Care begegnen manchmal Forderungen und Aussagen, die stark an Forderungen aus dem Bereich der Frauenarbeit vergangener Zeiten erinnern. Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern gleich verteilen, liest sich da als Appell. Ja – selbst wenn sich vielleicht immer noch viel zu wenig bewegt und verändert hat und wir auch noch meilenweit vom Ideal einer partnerschaftlichen Arbeitsaufteilung entfernt sein mögen – die Debatte darf nicht bei diesem einen Appell stehen bleiben. Gerade aus Frauen-perspektive. Beim Thema Care müssen wir heute komplexer denken und auch komplexer argumentieren. Es geht nicht nur um Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. Care umfasst mehr. Es betrifft nicht nur das klassische Ehepaar oder die Familie, die an einem Ort zusammenlebt. Viele Forderungen scheinen nur auf diesen Verteilungsaspekt zwischen Frauen und Männern abzuzielen. Es gibt aber immer mehr Singles, Alleinerziehende oder auch Haushalte, in denen im Alltag keine andere Person da ist, mit der Arbeit geilt werden könnte. Oft wird die unbezahlte Sorgearbeit auch nicht zwischen dem berufstätigen Elternpaar aufgeteilt, sondern an die Großmütter oder -väter, Geschwister, Tanten, Onkels, Freunde, Au-pairs oder Babysitter abgegeben. In anderen Fällen geht es darum, dass häusliche Arbeit gemacht wird, weil man sie selbst aus körperlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht machen kann oder schlicht nicht mehr schafft. Kurzum: Es sind viele Menschen, viele Beziehungen, viele Motive und viele verschiedene Aspekte, die bei Care-Arbeit eine Rolle spielen. All diese gilt es zu berücksichtigen, wenn tatsächlich Equal Care das Ziel ist.

Chancengerechtigkeit und mehrFAIR – auch wenn es um das Thema Care geht. Machen Sie mit beim Equal Care Day!

 

Informationen: www.equalcareday.de